Was haben die Engländer, was wir nicht haben...?
Erst mal ein paar erklärende Worte, wie es sich damals bei uns verhielt... Die erste OP fand aufgrund der Tatsache in England statt, daß 4 hochspezialisierte Herzzentren der BRD nicht in der Lage waren, unserem Kind einen schnellen OP-Termin zu vermitteln, obwohl ihr Gesundheitszustand schlichtweg eine Katastrophe war. Aufgrund diesen Umstandes sah sich die Krankenkasse genötigt, alle Kosten zu übernehmen, da es hier definitiv keine akut nötige Hilfe für unser Kind gab !
Bei der 2. OP sah das die Kasse allerdings dann schon anders, nun war es theoretisch möglich, daß Johanna in Deutschland operiert werden konnte und man legte uns sehr nahe, dies auch zu tun..... Wir aber hatten uns schon l�ängst entschieden, auch alle weiteren OPs in Birmingham durchführen zu lassen, und werden die wichtigsten Argumente aufführen, damit ihr unsere Beweggründe nachvollziehen könnt: 1. Der Chirurg Mr. Brawn hatte sich durch durch die erste erfolgreiche Operation unser bedingungsloses Vertrauen erworben. 2. Er hat unser Kind schon einmal operiert, hat ihr Herz in "Natura" gesehen und sein weiteres Vorgehen schon anhand der Gegebenheiten geplant. ( Immerhin handelt es sich hierbei nicht um eine Blinddarm-OP) 3. Es gibt in England nur sehr wenige Herzzentren die sich auf Kinderkardiologie spezialisiert haben,und die somit auf hohe OP-Zahlen und große Erfahrungswerte zurückblicken können. Bei uns gibt es ca. 60 Herzzentren, die unter anderem auch Kinder behandeln, manche von ihnen operieren weniger als 50 Kinder im Jahr. Wie kann man denn da Erfahrungen sammeln, erst recht bei sehr seltenen Herzfehlern? 4. In England werden seit über 25 Jahren so komplexe Herzfehler wie der unserer Tochter operiert, hier erst seit ca. 1989. Die Fontan-OP wird bei sehr jungen Kindern sogar erst seit Mitte der 90er durchgeführt. 5. In England wird nicht nach Tagessätzen bezahlt, sondern nach Fallpauschale, d.h. die Kliniken behalten ihre Patienten nicht unnötig lange stationär, sondern entlassen eher großzügig. Dieses System hat es uns ermöglicht, jeweils 7 Tage, bzw. 9 Tage nach den OPs nach Hause gehen zu können....Undenkbar hier in Deutschland... 6. Die OP-Zeiten sind wesentlich kürzer als hier. Woran das allerdings genau liegt, ist mir nach wie vor ein Rätsel...??? 7. Man ist gern gesehen am Bett seines Kindes, darf rund um die Uhr dabeibleiben, Tag und Nacht, sogar auf der Intensivstation. In keinster Weise wird man als Gast oder störender bakterienverschleudernder Besucher betrachtet, sondern maßgeblich in die Pflege, Behandlung und Genesung seines Kindes mit einbezogen. Sobald es geht, zieht sich der medizinische Bereich dezent zurück und räumt der Elternliebe wieder den Platz ein, den das Kind braucht, um sich halbwegs streßfrei zu erholen. All dies waren Beispiele, die dafür gesorgt haben, uns für England zu entscheiden. Leider gab es immer wieder laute Stimmen, die uns als Auslands-Touri's beschimpft haben, was uns teilweise sehr traurig machte. Vom Land selbst haben wir natürlich wenig bis gar nichts gesehen, stattdessen saßen wir in einem fremden Land, weitab von Freunden und Familie und bangten um das Leben unseres Kindes. Selbstverständlich sprach dort niemand deutsch, wir waren also auf unsere kümmerlichen Englischkenntnisse angewiesen. Wie armselig und hilflos man sich in dieser eh schon schlimmen Situation vorkommt, könnt ihr euch ja vielleicht denken....Mit Auslandstourismus hat das ganz sicher nichts zu tun.... Die Krankenkasse konnte unsere Argumente leider nur ansatzweise verstehen, anerkannt hat sie sie trotzdem nicht, so daß wir insgesamt noch ca. 30.000 DM selbst bezahlen mußten. Darin enthalten sind u.a. auch die Flugkosten meines Mannes, die Herzkatheteruntersuchung einen Tag vor der Fontan-OP ,(wollten wir nur unter OP-Bereitschaft machen lassen, da es Johanna so schlecht ging), sowie verschiedene Implantate und Patches. Dieses Geld hatten wir natürlich nicht im Schrank herumliegen, wie aber alles trotzdem so wunderbar geklappt hat und finanziell möglich wurde, lest bitte unter "Danke" nach... Da kann von lustigem OP-Tourismus keine Rede sein.... Ich hoffe, ihr konntet unsere Entscheidung ein wenig verstehen. Ich schreibe dies hier nicht, um mich zu rechtfertigen, sondern um plausibel zu machen, daß wir uns nicht aus einer Laune heraus zu diesem Schritt entschlossen haben !! Wir würden uns jederzeit sofort wieder so entscheiden !!!!!
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